Sichtung Vielseitigkeitspferde 2014
Text Copyright Fontana Syndikat - Dr. M. Engelhardt
Am 15.4.2014 hat es uns in den tiefen Süden der Republik verschlagen, denn ein überaus interessanter Sichtungstermin stand auf dem Programm. Der Trakehner Verband initiiert in diesem Jahr zum ersten Mal explizite Sichtungstermine für 4-6jährige Trakehner Buschtalente. Dazu finden 4 Termine statt. Alle Sichtungstermine werden von internationalen Spitzenreitern begleitet, und sind auch für die Öffentlichkeit zugänglich - in Nord mit Sandra Auffarth, in Ost mit Janet Wiesner, in West mit dem Ehepaar Ostholt und in Süd mit Joachim Jung. Die Idee ist nicht neu - der Zuchtverband Baden-Württemberg bietet schon länger im Rahmen seines Vielseitigkeitsprogramm diesen Service an, und bei den Trakehnern wurde schon von der ehemaligen Verbandsmitarbeiterin Alexa Bendtfeld ein ähnliches Konzept vorgeschlagen. Aktuell ist die Initiative mit frischem Wind versehen und wird vom neuen stellvertretenden Zuchtleiter, Dr. André Hahn, sehr enthusiastisch begleitet.

Spitzentalent aus dem Hause Wyrwoll: Forcetta v. Parforce - Master Speaker xx mit Marion Döpfler
Und so trafen sich an einem wunderbar sonnigen, wenn auch knackig kalten Apriltag etliche Züchter, Reiter, Trainer und Interessierte auf der Traditionsanlage von Fritz Pape auf Schloss Sindlingen südlichwestlich von Stuttgart. Initiativen dieser Art leben natürlich nicht nur von einer guten Organisation, sondern vor allem von den Beschickern, die viel Zeit und Kosten in Kauf nehmen. Und manchmal kommen Veranstaltungen dieser Art dann doch nicht zustande, weil sich nur 3 Besitzer mit entsprechenden Pferden melden. Nicht so die Initiative Vielseitigkeit der Trakehner - bundesweit sind für die 4 Termine über 70 (!!) Nennungen eingegangen, alleine in Sindlingen waren über 20 Pferde am Start, von einigen 4jährigen bis zu zwei 7jährigen. Die Sichtung der Pferde nahmen mit einer kurzen Mittagspause den ganzen Tag in Anspruch, war aber in vielerlei Hinsicht einfach ein tolles Event.

Bereits auf dem Weg zum BuCha: Uni's Black Pearl v. Kronprinz - Summertime mit Wolfgang Martin. Züchterin: Tina Starck
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Spitzenmodell einer modernen Blutstute: Pr.St. Kandy v. Ituango xx - Cornus mit Bruno Six. Züchter: Dr. Lutz Schubert
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Die Grundqualität der Pferde kann man grundweg als gut bis sehr gut bezeichnen, der Ausbildungsstand war dann aber doch zum Teil sehr unterschiedlich. Und das ist auch schon einer der Punkte, der hier vom Verband angesprochen werden soll. Die Idee ist es, nicht nur gutes Pferdematerial für den Sport zu finden, sondern den Züchtern und Besitzern, die selber nicht die Möglichkeit haben, entsprechend Profis an die Hand zu geben, die bei der weiteren Ausbildung - so es sich denn "lohnt" - die Pferde in Richtung Bundeschampionat weiterbringen. Als tolle Serviceidee wurden alle Pferde gefilmt und fotografiert, in allen 3 Phasen, und die Aufnahmen werden den Besitzern kostenlos zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt.
Immer in 4er Gruppen zusammen, nach Alter sortiert, gingen die Pferde zunächst in die Halle. Die Überprüfung der Grundgangarten beinhaltete auch einige Übergänge innerhalb einer Gangart, bzw. dann bei älteren Pferden auch zwischen den Gangarten, wobei dem flotten, raumgreifenden Vorwärtsreiten besonderes Augenmerk geschenkt wurde. In der Halle waren 3 Sprünge (Kreuz, Steil, Oxer) aufgebaut, die dann in loser Reihenfolge mehrfach überwunden wurden. Hier sehr schön sichtbar, wie unter der Federführung von Joachim Jung in sehr kurzer Zeit ohne Ausnahme jedes Pferd (und die meisten Reiter) klar besser wurden. Die ganze Veranstaltung wurde ohnehin eher im Rahmen einer "Reitstunde" abgehalten - ein super Service vom Verband, denn wer kommt sonst schon zum (kostenlosen) Reiten bei einem echten Weltklassetrainer? Joachim Jung wurde seinem Ruf vollends gerecht und alleine zum Hospitieren hätte sich die Anfahrt schon gelohnt. Das war wirklich toll!
Nach der Springeinheit ging es dann geschlossen in der Gruppe ins Gelände, wo die Pferde eine ganze Reihe verschiedener Aufgaben zu lösen hatten. Immer im Vordergrund - genügend Zeit, und ein systematisches Eingehen auf jedes individuelle Pferd. Manche Kandidaten hatten noch gar keine Erfahrung mit dem Wasser gemacht, und binnen weniger Minuten standen auch die "grünen" Pferde im kühlen Nass und hatten sichtlich Freude an dieser neuen Erfahrung. Nach dem Warmspringen über einen kleinen Baumstamm aus dem Trab gab es einige kleine Sequenzen zu reiten, die aus Tiefsprüngen, Hecken, Stämmen, Treppen, einer kleinen Wellenbahn und mehrfachem Durchreiten des Wassers, bzw. Einsprünge ins Wasser bestanden. Das Gallopiervermögen wurde nicht weiter abgefragt, was vielleicht auch dem knallharten Boden geschuldet war - der fehlende Regen in diesem Frühjahr machte sich nachhaltig bemerkbar. Dennoch konnte man mit geschultem Blick auch in den wenigen Gallopsequenzen, die zwischen den Sprüngen möglich waren, viel über das Potenzial der Pferde erkennen.

Lehrstunde in gutem Reiten: Miriam Bray mit Special Time v. Special Memories - Herzzauber. Züchter: Hartwig Meinen
Die Geländerunde endete für jedes Pferd mit einem positiven Erlebnis. Für jede Gruppe waren 75min veranschlagt, die auch voll und ganz ausgekostet wurden. Für uns gab es auf jeden Fall einige absolute Highlights in diesem Feld, und ein Blick in die Pedigrees dieser Pferde offenbarte eben auch ganz besonders den z.T. sehr hohen Vollblutanteil, der diese speziellen Talente so attraktiv macht. Interessanterweise fanden sich auch einige absolute Springspitzen im Lot, die eine ähnliche Sichtung für Springpferde sicherlich noch besser abschließen würden. Es ist doch immer wieder interessant (und auch bewegend, was die eigene Einschätzung der Pferde angeht) wie schnell man sich in der Halle vermeintlich ein umfassendes Bild eines Kandidaten macht, nur um dann im Gelände festzustellen, dass man das Pferd entweder unter- oder doch überschätzt hat. Es zählt eben vor allem in diesem Sport das Gesamtbild - mehr als sonst. Und auch wenn es hier eben nur um einen Tag als Ausschnitt einer Talentschau geht, so hat das Format mit der reichlich bemessenen Zeit, die man mit den einzelnen Pferden verbingt, doch auch einen positiven Aspekt: es gab keinen Kandidaten, der am Ende als "Totalausfall" verbucht werden musste. Da vor allem der doch stark unterschiedliche Ausbildungszustand der Pferde, und der Status der Reiter (von Profis bis lupenreinen Amateuren) erheblichen Einfluß auf eine Meinungsbildung haben kann, ist das hier gewählte Konzept wirklich hilfreich um die Pferde nicht nur in unterschiedlichen Situationen zu sehen, sondern jedem auch eine Chance zu geben, zu glänzen.
Unser Fazit: Bitte mehr davon!!! Die Initiative ist eine tolle Idee, die in den Grundzügen ja auch anderswo schon erfolgreich war, und sollte unbedingt auch auf einige Jahre angelegt werden. Die Ausdehnung auf andere Disziplinen ist bereits geplant, ab 2015 soll die Dressur dazu kommen. Und noch eine Randbemerkung sei uns erlaubt, vor allem mit der aktuellen Diskussion um die mittelmäßige Qualität und Sportlichkeit der Trakehner Pferde. An guten Pferden mangelt es nicht! Wenn der 15.4.2014 ein guter Querschnitt über den aktuellen Stand der Population war, dann kann man nur zu dem Schluß kommen, dass die Pferde alles ermöglichen - wir Menschen sollten uns mal eher Gedanken machen, wie wir "den Markt" mit eben diesen Pferden auch hochkarätig bestücken. Echte Toptalente in die richtigen (sachkundlich fördernden) Hände zu bekommen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung!

Bereits leistungsgeprüft (70TT): Rosetto v. Meraldik - Monteverdi, toll vorgestellt von Eva-Maria Lühr. Züchterin: Gabriele Nabert
An dieser Stelle ein Dankeschön an die Mannschaft vor Ort, Fritz Pape und sein tolles Team, vor allem in der Bewirtung; Joachim Jung, der sich Zeit für die Veranstaltung genommen hat und einfach brilliant war; Dr. Annette Wyrwoll, die als Sportexpertin an der Sichtung teilgenommen hat; Dr. André Hahn als Vertreter des Verbandes und Organisator der Sichtungsreihe, und am aller wichtigsten: den vielen Pferdebesitzern, Trainern und Reitern, die z.T. 6 Stunden Anfahrt in Kauf genommen haben, um diese junge Veranstaltung entsprechend zu unterstützen.
Teilnehmer:
4 jährige:
- Lilie VW v. Kronprinz - Halbgott - Frescobaldi xx
- Indullah S v. Abdullah *Pg* - Praefectus xx - Pyrmont
- Herbstlilie's Letzte v. Hofrat - Starway - Unkensee
- Painter's Igor v. Phlox - Alaskatraum - Painter's Row xx
- Zuckerpuppe v. Beg xx - Sapros - Herbstruf
- Rosetto v. Meraldik - Monteverdi - Louidor
5 jährige:
- Pr.St. Manteca v. Impetus - Abdullah - Leonardo
- Prince of Heaven v. Hope of Heaven - Unesco - Persaldo
- Farell Felitz v. Hibikus - King Arthur
- Uni's Black Pearl v. Kronprinz - Summertime - Hand in Glove xx
- Aberfeldy v. Buddenbrock - Unkensee
- Special Time v. Special Memories *Pg* - Herzzauber - Arogno
6 jährige:
- Trussardi v. Handryk - Arsenal - Elan xx
- Zappelphilipp v. Betel xx - Sapros - Herbstruf
- St.Pt.St. Viviana Valbone v. Grafenstolz - Sans Souci - Animo xx
- Balmy Chocolino v. Grafenstolz - Tabaluga - Kronenkranich xx
- Axcato v. Fragonard xx - Unkensee - Limbo xx
- Herzklopfen v. Herzog - Tivano - Gipsy King
- Pr.St. Kandy v. Ituango xx - Cornus - Tenor
- Windzauber v. Ridwan xx - Adlerschild xx - Sascha
7 jährige:
- Forcetta v. Parforce - Master Speaker xx - Dschingis Khan xx
- Wilde Hilde v. Checkpoint - Neshad xx - Nebos xx
Geschwisterpaar der Sonderklasse: Zuckerpuppe v. Beg xx - Sapros und Zappelphillip von Betel xx - Sapros aus der Zucht von Familie Schultes
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